Herausforderungen
Der demographische Wandel ist eine Herausforderung, die auch an Ordensgemeinschaften nicht spurlos vorbeigeht. Das Generationenprinzip funktioniert nur noch bedingt, wenn immer mehr alte und pflegebedürftige Ordensristen wenigen jungen Ordenschristen gegenüberstehen. Die pflegerische Versorgung der Ordenschristen wird daher in den kommenden Jahren eine der zentralen Herausforderung darstellen. Die gute Bewältigung des Pflegebedarfs der alten und kranken Ordenschristen, rund um die Uhr, ist darüber hinaus auch ein zentrales Anliegen für die Zukunftssicherung der Gemeinschaften. Die pflegerische Versorgung in Ordensgemeinschaften stellt die Pflegefachkräfte durch den erhöhten Schwerstpflegebedarf der Ordensschwestern zunehmend vor immer größeren Herausforderungen. Der Zeitbedarf aber auch die Anzahl schwerstkranker Ordensschwestern mit einer immer weiter steigenden Ausprägung vielzähliger Bedarfe lässt die Versorgung stetig komplexer werden. Auf diese veränderte Versorgungslage gilt es langfristig neue und geeignete Antworten zu finden.
Die Frage, die im Mittelpunkt steht, lautet: Wie kann eine adäquate pflegerische Versorgung von Ordensschwester langfristig und zukunftssicher in Klöstern aufgestellt werden?
Einerseits ist eine effektive und effiziente Gestaltung sowie eine nachhaltige Lösung für Kloster wesentlich, andererseits darf die qualitative pflegerische Versorgung nicht in den Hintergrund rücken und sollte bestmöglich mit dem Leben in der Ordensgemeinschaft vereinbar sein. Eine ebenso wichtige Frage ist, wie kann Pflege im Kloster mit Grenzsituationen zwischen Leben und Tod ethisch verantwortungsvoll umgehen. Dieser Frage widmet sich der eigene Beitrag von Sr. Paula Helm OSB, der ebenfalls auf dieser Webseite zu finden ist.
So unterschiedlich, wie jede Gemeinschaft ist, so unterschiedlich sind auch Voraussetzungen in Bezug auf Räumlichkeiten, finanzielle Spielräume und Verfügbarkeit von Pflegediensten. Manche Gemeinschaften verfügen über Erfahrungen mit der Pflege und haben selbst ausgebildete Ordensleute, die sich um ihre Ordensgeschwister kümmern können. Andere Gemeinschaften sind sehr stark auf externe Hilfe angewiesen. Eine Patentlösung gibt es daher nicht, sondern viele denkbare Möglichkeiten, die abgewogen werden müssen. Manchmal besteht die bessere Gesamtlösung auch in einer starken Partnerschaft mit externen Partnern.
Dafür müssen die Ordensgemeinschaften Antworten auf Fragen finden:
- Wie möchten wir mit unseren alten und pflegebedürftigen Ordensschwestern und Brüdern umgehen? Wie kann eine adäquate pflegerische Versorgung in Ordensgemeinschaften Bedarfsgerecht sichergestellt werden? Wo sollen sie leben?
- Die eigenständig organisierte Pflege und Versorgung von Ordensschwestern und Brüdern kann viel Kraft kosten und erfordert durch die steigende Komplexität der Erkrankungsbilder, sowie des stetig steigenden Schwerstpflegebedarfs Pflegeexperten, die diesen Herausforderungen gewachsen sind.
- Wie kann dafür gesorgt werden, dass das Charisma der Gemeinschaft, z.B. die Seelsorge, weitergelebt werden kann?
- Wie können wir mit unseren Ressourcen – nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Energie – nachhaltig umgehen?
- Wie kann die Klausur als Rückzugsort geschützt bleiben?
Möglichkeiten
Die Pflege von Ordensleuten außerhalb des Klosters ist teuer, aber ansonsten mit dem geringsten Aufwand für die Gemeinschaften verbunden. Dieser Weg bringt in jedem Fall einen harten Einschnitt für die Betreffenden wie für die Gemeinschaft mit sich und wird deshalb gerne vermieden. Die Unterbringung als Gruppe von pflegebedürftigen Ordensgeschwistern in eigens eingerichteten Konventbereichen in Seniorenhäusern kann für größere Gemeinschaften eine Alternative sein, auch schon in betreuten, aber grundsätzlich selbständigen Wohnformen. Ein Beispiel dafür ist z.B. die Unterbringung und Versorgung der Weißen Schwestern bei der Kölner Caritas.
Wenn eine Pflege außerhalb des Klosters keine Option ist und die Gemeinschaft im Kloster bleiben möchte, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Beispiel Pflegewohngemeinschaft
Die Einrichtung einer Pflegewohngruppe innerhalb des Klosters bietet vielfältige Chancen und fordert eine sorgfältige Planung. Da es sich in Deutschland bei einer Pflegewohngemeinschaft innerhalb eines Klosters um ein recht neues Konzept handelt, ist eine Anerkennung durch die Pflegeversicherung im Voraus abzuklären und die gesetzlichen Rahmenbedingungen genau zu beachten. Der Grundcharakter einer Pflegewohngruppe darf nicht dem eines Pflegeheimes entsprechen. Wenn in der ambulant betreuten Wohngruppe mindestens drei und höchstens zwölf Personen gemeinsam leben, kann unter Umständen ein Wohngruppenzuschlag in Anspruch genommen werden, um eine Präsenzkraft für die Organisation und Unterstützung im Alltag zu finanzieren. Zusätzlich kann dann auch ein Anspruch auf eine Anschubfinanzierung bestehen. Neben selbstorganisierten existieren auch anbieterorganisierte Pflegewohngemeinschaften. Dafür muss ein passender Anbieter ausgewählt werden.
Entscheidungen, die den persönlichsten Bereich der Ordenschristen und den privaten Bereich der Gemeinschaften im Kloster betreffen, erfordern Fingerspitzengefühl:
- Ist die Aufnahme von anderen Ordenschristen und vielleicht auch Laien möglich?
- Wie soll das Neben- und Miteinander von hilfebedürftigen Ordensschwestern und Externen in einem gemeinsamen Wohnbereich gestaltet werden? Haben die externen Pflegekräfte Zugang zur Klausur?
- Können Männer zur pflegerischen Versorgung von Ordensfrauen eingesetzt werden?
- Ab wann gehört eine Schwester oder ein Bruder dazu? (Pflegegrad erforderlich?),
- Was darf den Schwestern oder Brüdern zugemutet werden?
Anstellung von Pflegekräften und kleiner Versorgungsvertrag
Der sog. kleine Versorgungsvertrag regelt die stationäre Versorgung von versicherten (pflegebedürftigen) Ordensangehörigen in Pflegeeinrichtungen (Pflegeabteilungen) innerhalb des Klosters des jeweiligen Ordensinstituts. Für die Organisation der Pflege und die Anstellung von Pflegekräften durch die Gemeinschaft im Rahmen eines kleinen Versorgungsvertrags müssen die teuren Vorschriften der stationären Pflege nicht erfüllt werden. Die Erwirkung eines kleinen Versorgungsvertrages ist im Vorhinein notwendig. In diese Versorgungsform werden ausschließlich Ordensleute aufgenommen. Inwiefern die Rechtssicherheit dieser Vereinbarung noch zwischen der Vereinigung Deutscher Ordensobern (VDO) und der Vereinigung der Ordensoberinnen Deutschlands (VOD) mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. (AEV) auch für die Zukunft besteht, sollte in die Entscheidungsabwägung einbezogen werden.
Mix aus Fachkräften und kostengünstigeren Präsenzkräften
Die Kombination aus angestellten Fachkräften und kostengünstigeren Präsenzkräften kann für die Pflege im Kloster finanziell vorteilhaft sein. Dieser Mix erfordert jedoch ein hohes Maß an Organisation durch die Gemeinschaft. Dabei sind vor allem die Struktur der Gesamteinrichtung und des Dienstes sowie der Personalmix und die pflegerische Qualifikation in der Versorgungs- und Behandlungspflege zu beachten.
Präsenzkräfte organisieren als Alltagsmanager:innen das Zusammenleben der Pflegebedürftigen und befinden sich am Schnittpunkt von Pflege, Hauswirtschaft, sozialer Betreuung und Organisation des Wohnbereichs. Die Tätigkeitsschwerpunkte werden aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten und Hausgemeinschafts-Typen unterschiedlich gesetzt. Die Erstellung von Anforderungsprofilen mit genau definierten Aufgabenzuschreibungen ist für die Planung der geforderten Qualifikationen und Kapazitäten wichtig. Die Alltagsmanager:innen sind im Umgang mit pflegebedürftigen Ordenschwestern und u.a. im Notfallmanagement zu schulen.
Werden fachfremde Personen ohne entsprechende Qualifizierung eingesetzt, sind diese Personen vor der Arbeitsaufnahme durch angemessene Schulungsmaßnahmen je nach Tätigkeitsfeld zu qualifizieren. Diese Qualifizierungsmaßnahmen gelten ebenso für nicht ausreichend qualifizierte Betreuungskräfte u.a. aus z.B. osteuropäischen Ländern, beim Einsatz von geflüchteten Personen und Ehrenamtlichen. Eine Ersparnis durch minderqualifizierte Mitarbeiter ist mit dem Ziel einer qualifizierten Versorgungsleistung abzuwägen. Ebenso sind die Schnittstellen zwischen Fachkräften und nicht Fachkräften gut abzustimmen und gleichzeitig eine eindeutige Aufgabenaufteilung festzulegen.
Versorgung aller Pflegebedürftigen durch einen ambulanten Pflegedienst
Ein ambulanter Pflegedienst kann die Versorgung von Ordensleuten und externen Pflegebedürftigen übernehmen und optional durch eigene Ordensleute oder eben den Einsatz von Präsenzkräften für Rand- und Nachtzeiten ergänzt werden. Wichtig ist, die Frage zu beantworten, ob es einen ambulanten Pflegedienst gibt, der auch perspektivisch ausreichend Pflegepersonal zur Verfügung stellen kann, um die gewünschten Zeiten abzudecken. Die Finanzierung der Pflege über Pflegegeld für ambulante Pflege durch Angehörige folgt einer anderen Systematik als über Pflegesachleistungen für ambulante Pflege durch den Pflegedienst. Der Umwandlungsanspruch für nicht verbrauchte Pflegesachleistungen in Höhe von 40% kann attraktiv sein.
Einrichtung und Betrieb einer eigenen, staatlich anerkannten Senioreneinrichtung gemeinsam mit Laien auf dem Klostergelände
Wenn die räumlichen Voraussetzungen für eine Pflege im Klostergebäude durch mangelnde Fläche oder hohe Sanierungs- und Umbaukosten nicht gegeben sind und die Ordensgemeinschaft über die entsprechenden finanziellen und personellen Möglichkeiten verfügt, kann es in Frage kommen, selbst – alleine oder mit einem Partner – ein Seniorenheim zu betreiben.
Für einen Neubau müssen die Bedingungen des Geländes, z.B. im ehemaligen Klostergarten, vor Ort stimmen und unter der Einbeziehung von externen Trägern die Abstimmung mit Politik und Verwaltung beachtet werden. Die Heimmindestbauverordnung und der Fachkräfteschlüssel müssen dann auch im Pflegebereich für die Ordensleute berücksichtigt werden.
Eine Standortanalyse im Voraus ist wichtig, um lokalen Wettbewerb und Versorgungsbedarf zu prüfen. Die Einrichtung einer wirtschaftlich tragfähigen Senioreneinrichtung kann darüber hinaus auch langfristig zur Sicherung des Versorgungsbedarfs der Gemeinschaft beitragen.
Projekt zur Optimierung der Pflege für die Ordensangehörigen
Im Hinzen Privatkontor verfügen wir über profunde Erfahrung sowie ein breites Netzwerk von Experten. Wir begleiten Ordensgemeinschaften auf dem Weg zu einer nachhaltigen und bestmöglichen pflegerischen Versorgung. Dieser Weg besteht aus vielen kleinen Schritten. In einem iterativen Prozess, begleitet von Phasen der Reflexion, wird gemeinsam eine Lösung entwickelt.
Ein Einstiegsworkshop, um Zielbilder zu erarbeiten, bietet dabei die Grundlage für das weitere Vorgehen. Aus der Analyse von Fragebögen, Dokumenten, Interviews und Begehungen werden umsetzbare Handlungsoptionen erarbeitet.
Die Bewertung der verschiedenen Optionen bedarf immer einer Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Die Chancen und Risiken der einzelnen Perspektiven sind in einer Gesamtschau gegeneinander abzuwägen. Dabei sind die vor allem die Pflegequalität, Finanzierung, Personal, Baumaßnahmen, Realisierungsaufwand, Verantwortlichkeiten zu berücksichtigen, um ein Gesamtkonzept für die pflegerische Versorgung zu erarbeiten. Das HPK kann diesen Weg umfassend begleiten und auch bei der Auswahl geeigneter Partner für die Pflege unterstützen.